Digitale Helfer auf dem Smartphone – nicht nur für Senioren

Digitale Helfer für Menschen mit Behinderungen
Bedienungshilfe-Menü Android
In den Android-Einstellungen findest du das Bedienungshilfe-Menü.

Wer nicht (mehr) im Beruf steht, braucht kein Smartphone? Falsch gedacht! Denn mit digitalen Helfern kannst du echte Lebensqualität gewinnen. Bedienungshilfen und Gadgets für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen oder motorischen Problemen helfen den Alltag besser zu bewältigen. Wir zeigen Dir, was heute möglich ist – und was das kostet. Bonus: 5 Tipps für mehr Lebensqualität durch digitale Helfer auf dem Smartphone

Unser Artikel unterteilt sich in

  • Smartphone-Tipps für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen
  • Apps und Tipps für Hörgeräte-Träger
  • Einstellungen und Gadgets die bei motorischen Problemen unterstützen.

Digitale Helfer für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen

Android: Anpassung der Anzeigegröße
Digitaler Helfer eingebaut: Anzeigegröße verändern in Android.

Viele Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen wollen keine Smartphones nutzen. Das liegt meist daran, dass in der Standard-Einstellung die Icons und Texte sehr klein dargestellt werden. Das gilt besonders für preisgünstige Smartphones mit geringer Bildschirmdiagonale.

Oft ist ein Gerät mit einem Bildschirm über 6 Zoll schon eine erhebliche Verbesserung. Denn sowohl bei iPhones wie Android-Smartphones kannst du die Größe der Darstellung, Kontrast und Farbdarstellung verändern. Die entsprechenden Menüpunkte finden sich bei beiden Betriebssystemen unter Einstellungen -> Bedienungshilfen -> Anzeige und Textgröße.

iPhones bieten zudem die Möglichkeit, einzelne Bereiche auf dem Bildschirm heranzuzoomen (Einstellungen -> Bedienungshilfen -> Zoom) oder sich vorlesen zu lassen (Einstellungen -> Bedienungshilfen ->  Voiceover). Mit der Sprachsteuerung (Einstellungen -> Bedienungshilfen ->  Sprachsteuerung) lassen sich zudem die meisten Routine-Aufgabe wie etwa das Schicken von Nachrichten oder Websuchen erledigen, ohne dass man den Bildschirm sehen muss.

Bei Android gibt es ähnliche Einstellungen unter den Menüpunkten „Talkback“ und „Vorlesen“. Wenn „Talkback“ aktiviert ist, liest das Smartphone alle Elemente auf dem Bildschirm vor. „Vorlesen“ funktioniert nicht nur auf Webseiten, sondern auch bei Texten, auf die man mit der Kamera zeigt. Die Lupe für Bildschirm-Inhalte findest du bei Android bei Einstellungen -> Bedienungshilfen -> Vergrößerung.

Praktisch ist dabei, dass alle diese Einstellungen in aktuellen Smartphones und iPhones bereits vorhanden sind, du also gar nichts zusätzlich bezahlen musst, um sie zu nutzen.

TIPP: Hersteller von Android-Smartphones können die Oberflächen stark verändern. Auch unterscheiden sich die Einstellungen je nach Version des Betriebssystems. Es gibt auch Hersteller, z.B. Huawei, die für einzelne Modelle eine vereinfachte Oberfläche für Einsteiger (Einstellungen > System & Aktualisierungen > Einfacher Modus) anbieten. Auch Senioren-Smartphones, etwa von Gigaset, setzen auf einen einfache, kontrastreichen Startbildschirm. Auf diesem finden sich auch Menschen zurecht, die nicht mehr so gut sehen.

Apps und Tipps für Menschen mit Hörverlust

Kanal-Anpassung Audio- Android
Kanal-Anpassung in Android: Die Balance kann verändert werden.

Für Menschen mit Hörproblemen haben sowohl Android- wie iOS-Geräte eine Reihe von Einstellungen an Bord, die das Leben erleichtern. Bei iPhones findest du die meisten in Einstellungen -> Bedienungshilfen -> Hören. Hier kannst du beispielsweise Untertitel und für Videos einstellen, ein Geräuscherkennung aktivieren oder die Blitz-LED so konfigurieren, dass sie blinkt, wenn eine Benachrichtigung oder ein Hinweis auf dem Smartphone wartet. Auch Kopfhörer kannst du dort an das eigene Gehör anpassen.

Bei Android-Geräten findest du ähnliche Einstellungen unter Einstellungen -> Bedienungshilfen -> Audio sowie im Menüpunkt „Untertitel“.

Sowohl bei Android-Smartphones wie iPhones gibt es außerdem in den Bedienungshilfen auch Einstellungen für Hörhilfen. Das liegt daran, das heute viele ganz verschiedene Arten von Hörgeräten gibt. Besonders praktisch sind dabei Bluetooth-Hörgeräte. Das bedeutet, dass diese Hörgeräte ähnlich wie Wireless Kopfhörer (Kaufberatung) via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden sind. Du benötigst also keinen Kopfhörer mehr, sondern bekommt Musik, Podcast, Hörbücher oder Anrufe direkt auf die Hörhilfe gestreamt.

Digitaler Helfer: Geräuscherkennung iOS
Das iPhone kann Hörgeschädigte auf wichtige Geräusche aufmerksam machen.

In den „Hörhilfe“- Einstellungen der Smartphones kannst du einige Grundeinstellungen für Bluetooth-Hörgeräte vornehmen. Bekannte Hersteller von Hörgeräten wie Kind, Phonak oder Signia haben aber für ihre Geräte meist noch eigene Apps für iOS und Android auf dem Markt. Meist kann man das Hörgerät nur über die App vollständig einrichten. Es gibt leider derzeit auch keine Universal-App, mit der man alle bekannten Hörgeräte-Hersteller abdecken kann.

Von Widex gibt es außerdem eine App für Tinnitus-Patienten. Sie soll ihnen dabei helfen, mit ihrer Krankheit besser zu leben, indem beruhigende Klänge eingespielt werden. Die App für Android und iOS kann mit Hörgeräten oder gewöhnlichen Kopfhörern benutzt werden. Sie ist kostenlos.

Ein Hörgerät mit Bluetooth-Verbindung kostet pro Gerät zwischen 600 und etwa 2.500 Euro. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen davon leider nur einen kleinen Teil.

Einstellungen und Gadgets für motorische Probleme

Touch Anpassen: iOS
Beim iPhone kann man einstellen, wie der Touchscreen reagiert.

Auch wenn du physische und motorische Probleme hast, kann man das iPhone speziell darauf eingestellt werden. In den Bedienungshilfen gibt es ein ganzes Menü, indem du etwa die Tippgeschwindigkeit anpassen, einen Einhand-Modus aktivieren oder Vibrationen einschalten kann. Android-Smartphones bieten derzeit nicht dieselbe Vielfalt an Einstellungen. Unter den „Systemsteuerelementen“ findet man aber ein paar einfache Konfigurationsmöglichkeiten.

Mit dem Smartphone als Steuerung kannst du außerdem eine ganze Reihe von Gadgets nutzen, die das Leben Menschen mit motorischen oder neurologischen Problemen erleichtern. Während das iPhone nur bei schweren Unfällen einen Notruf absetzt und dabei notfalls sogar Satellitenfunk nutzt, haben Apple Watches seit dem Modell 4 eine Sturzerkennung eingebaut. Man kann sie auf der Apple Watch unter Einstellungen –> SOS aktivieren. Aktuelle Apple Watch gibt es ab 280 Euro, refurbishte Modelle teilweise erheblich günstiger.

Apple Watch Sturzerkennung
Die Apple Watch hat ab Version 4 eine Sturzerkennung.

In Deutschland ist eine ähnliche Funktion für die Google Pixel Watch für Android Smartphones noch nicht verfügbar.

Kontaktlose Bezahl-Gadgets können Menschen mit motorischen Einschränkungen und degenerativen Erkrankungen der Gelenke helfen. Denn sie haben oft Schwierigkeiten, Kleingeld aus der Geldbörse zu holen, vor allem, wenn es an der Kasse hektisch wird. Mit einem Pago Ring (Test) oder einem Paycelet Armband (Test) bezahlen sie kontaktlos und sicher. Das Portemonnaie kann zuhause oder in der Tasche bleiben. Bezahl-Gadgets mit App funktionieren mit iOS- und Android-Smartphones. Markenprodukte kosten um die 110 Euro.

5 Tipps für mehr Lebensqualität durch Digitale Helfer

1. Bedienungshilfen nutzen

Im Bedienungshilfen-Menü findet man Einstellungen für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen, Hörgeräte-Träger und motorisch eingeschränkte Personen.

2. Auf Langlebigkeit setzen

Viele medizinische Hilfen, etwa Hörgeräte, bezahlt die Krankenkasse nur alle fünf, sechs Jahre. Wenn du während des Zeitraums mehrfach das Smartphone wechselst, musst du unter Umständen Apps und Einstellungen neu installieren. Es kann dabei vorkommen, dass ältere Hilfsgeräte gar nicht mehr von neuen Smartphones unterstützt werden.

3. Hilfe annehmen

Hörgeräte mit Apps sind praktisch. Menschen ohne große technische Kenntnisse können sich aber bei der Einrichtung überfordert fühlen. Der Hörgeräte-Akustiker vor Ort hilft bei dort gekauften Geräten gern.

4. Gadgets nutzen

Technische Neuerungen wie Sturzerkennung oder kontaktloses Bezahlen helfen dir dabei, selbstbestimmt und sicher zu leben.

5. Medizinische Apps kennenlernen

Unabhängige Entwickler, aber auch Krankenkassen bieten Apps an, die bei der Behandlung von Hörproblemen wie Tinnitus sinnvoll sein können. Es gibt aber auch Apps die bei der Gewichtskontrolle, Raucherentwöhnung oder regelmäßigen Medikamenteneinnahme helfen.

Text: Sonja Angerer